Die Ordnung unserer Natur
Die Ordnung unserer Natur
(Rating: 64%)
“Kernpunkt von Kollaths Ernährungslehre ist die Auffassung, dass durch die Be- und Verarbeitung von Lebensmittelrohstoffen und Lebensmitteln deren Gehalt an naturgegebenen essenziellen Nahrungsinhaltsstoffen reduziert wird. Daraus entwickelte er konkrete Ernährungsempfehlungen und brachte Lebensmittel und Lebensmittelgruppen nach ihrer ernährungsphysiologischen Qualität in eine Rangordnung, anderen Spitze die naturbelassenen und nicht verarbeiteten “vollwertigen” Lebensmittel.
“Die Ordnung unserer Nahrung”, Klassiker und unentbehrliches Standardwerk zugleich, ist eine praxisorientierte Einführung in die Vollwerternährung. “
Hier handelt es sich um ein Buch was bereits über 60 Jahre auf dem Markt ist und bereits in seiner 17. Auflage veröffentlicht wird. Wenn es ein Fotoband wäre oder eine Anleitung zum Stricken, dann wäre das wenig erwähnenswert. Aber bei dem Buch geht es um die Ernährung und demnach ein Gebiet wo sich fast jährlich neue Konzepte bilden und neues „Wissen“ hervorgebracht wird. Umso erstaunlicher dass es ein Buch schafft diese Paradigmenwechsel relativ schadlos zu überstehen. Das Buch ist zwar als Ernährungsbuch deklariert aber hat ganz klar philosophische Einschläge und liest sich sehr ganzheitlich. Die Sprache ist der damaligen Zeit angemessen und wirkt leicht befremdlich.
Kollaths grundsätzliche Aussagen und damit die 300 Seiten seines Buches lassen sich wie folgt zusammenfassen. Man sollte seine Nahrung überdenken bevor man krank wird und wenn man krank wird dann wird man nicht durch die Nahrung sondern während der Ernährung geheilt. Diese sollte so natürlich wie möglich sein. Fangen wir mit den positiven Dingen an. Das Buch fördert eine ganzheitliche Sichtweise auf die Ernährung und das Leben. Das erklärt sich auch dadurch dass er explizit der induktiven Forschung, also den Erkenntnisgewinn ausgehend vom kleinsten Teilchen bezogen auf das große Ganze zu vollführen, ihre Grenzen aufzeigt. Er nutzte einen deduktiven Ansatz . Damit war er seiner Zeit weit voraus. Das war jedoch nicht der einzige Punkt. Er hat bereits damals eindringlich vor Antibiotika, und hohen Fleischkonsum gewarnt. Weiterhin hat er auch damals schon die immense Bedeutung des Darms für die Gesundheit erkannt. Auch das Krebs kein örtliches Phänomen ist, sondern auch ein ganzheitliches Problem. Auch weist er bereits damals schon darauf hin dass die Industrie ganz klar, damals noch relativ plump, versucht die Erkenntnisse der Wissenschaft zu verschleiern.
Was auch explizit hervorzuheben ist, dass er bereits damals erkennt dass man sowohl zwischen Volks- und Familienernährung als auch zwischen der Ernährung der einzelnen Individuen unterscheiden muss. Eine Erkenntnis die heute viele Ernährungsgurus konsequent vernachlässigen. Dadurch entstehen dann auch diese Glaubenskriege zwischen HighCarb LowCarb usw… . Aber bei vielen Dingen gilt, was für den einen gut ist kann für den anderen in seiner persönlichen Situation schlecht sein und es gibt keine allumfassend gesunde & perfekte Ernährung für Alle. Eine ganz besondere Leistung Kollaths ist auch die unglaublich detaillierte Beschreibung des Weizenkorns. Ich habe wirklich schon sehr viele Bücher zum Thema Ernährung gelesen, aber so eine detaillierte Beschreibung habe ich noch nie gesehen. Großes Kompliment! Aber natürlich gibt es auch Dinge die negativ ins Auge fallen auch wenn diese vor dem Hintergrund wann dieses Buch geschrieben wurde relativiert werden müssen. Kollath spricht immer wieder von unbelebten Dingen und baut auch darauf oft seine Argumentationen auf. Was spirituelle Menschen schon lange und Physiker zu Beginn dieses Jahrtausends herausgefunden haben, nämlich dass 99,9% der Materie aus Energie bestehen, führt entsprechend alle seine Argumentationen die darauf aufbauen, ad absurdum. Er war sich durchaus bewusst dass die Physik auf diesem Wege war, aber er bezeichnete diesen Weg als Irrtum und da muss man ganz klar sagen, da hat sich nicht die Physik sondern Herr Kollath geirrt.
Weiterhin sah er zwar die Ganzheitlichkeit der Menschen an, aber man hat den Eindruck beim Lesen, dass die Ganzheitlichkeit des Universums für ihn keine Bedeutung hatte und gemessen daran muss auch die philosophische Ganzheitlichkeit die man Kollath gerne zuschreibt relativiert werden. Er war doch sehr auf den Menschen fokussiert und seine besondere Bedeutung im Universum. Der typische “Der Mensch ist etwas besseres” Fehler, der auch heute noch von etwaigen Glaubensgruppen und Parteien immer wieder ins Feld geführt wird. Daher auch sein lachser Umgang mit Tierexperimenten und sein gerade zu arroganter Umgang mit fühlenden Lebewesen. Auf Seite 238 beantwortet er Kritiken von Tierversuchen oder Tierverzehr mit der Frage: Ob denn ein wesentlicher Unterschied darin bestünde ob man Pflanzen oder Tiere tötet nur weil Blut fließt? Damit würde er heute in den Internetforen einen wunderbaren Troll abgeben, aber in seiner Position und auch mit dem damaligen Wissen über das Zentralnervensystem und die Fähigkeit des Fühlens bei Tieren die dem des Menschen absolut identisch ist was Schmerz & Angst angeht, muss man sagen scheint Kollath doch etwas begrenzt in seiner Wahrnehmung. Dann stellt er die mutige These auf dass natives tierisches Protein ein adäquater Vitaminersatz sein könnte, aber ich habe im ganzen Buch keinen wirklich genauen schlüssigen und konkreten Beweis dafür gefunden welches Vitamin und wie genau das Protein dieses ersetzen sollte. Außerhalb des Weizenkorns bleibt er oft sehr schwammig, was man aber eben auch dem deduktiven Forschungsstil zuschreiben kann.
Alles in allem fühle ich mich unwohl die Arbeit eines Mannes von vor über 60 Jahren mit meinem Wissen heute gerecht zu beurteilen. Fest steht dass er sehr viel vorhergesehen und in dem Buch schlüssig dargelegt hat. Dabei eher ausgehend vom Menschenverstand und Beobachtungen als von den biochemischen Prozessen. Die grundsätzliche Annahme dass die Physik auf dem Holzweg ist wenn sie der Energie so eine große Bedeutung beimisst, muss man als großen Fehler Kollaths erkennen, denn sowas wie unbelebte Materie gibt es quasi nicht. Der Preis ist mit 40€ schon sehr hoch und es ist auch unzeitgemäß dass das ebook genau so viel kostet. Alles in allem gebe ich dem Buch 4 Sterne wenn man sich bewusst ist, dass man hier ein Buch in den Händen hält dass vor über 60 Jahren geschrieben ist und man nicht auf der Suche nach dem neuesten Stand der Forschung ist, sondern eher eine Bestätigung vieler kompliziert herausgefundener Zusammenhänge durch den Menschenverstand anregen möchte. Dann erfüllt das Buch seinen Zweck vollkommen und dann kann man auch über die Schwachstellen hinwegsehen.